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I-Worm.timofonica:
Alarmierungssysteme im Handstreich ausgeschaltet

Kommentar, 07.06.2000


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Würmer- und Virenplagen ohne Ende bescher(t)en uns nicht nur Melissa, ILOVEYOU und NEWLOVE, sondern neuerdings auch I-Worm.timofonica, der über bemerkenswerte Qualitäten verfügt. Doch dessen ungeheure Sprengkraft dürfte weitestgehend übersehen werden, wenn erste Reaktionen auch nur halbwegs aussagekräftig sind.

Ganz offensichtlich nichts gelernt haben PC-Betreiber aus vergangenen Virenplagen, denn anders ist nicht zu erklären, warum auch dieses jüngste Kind der ILOVEYOU-Familie mittlerweile in freier Wildbahn anzutreffen ist. Dass dieser Virus , der eigentlich ein Wurm ist, den Inhalt des CMOS-Speichers ebenso löscht wie die Festplatte, ist kaum beklagenswert. Wer mehr als ein Jahr nach Melissa immer noch darauf besteht, im Tal der Ahnungslosen zu leben, darf in diesem Punkt eben nicht kleinlich sein. An fehlender Information zum Viren-Thema kann die Ausbreitung des neuen Wurms wohl kaum gelegen haben, denn schliesslich stellte der jüngste Medienrummel hierzu selbst "Big Brother" in den Schatten.

Vorhersehbar waren Würmer dieser Art allemal, denn schliesslich wird der Quellcode bei VB-Scripts á la ILOVEYOU ganz zwangsläufig mitgeliefert und ist damit automatisch Open Source. Begnadete Programmierer werden also auch in Zukunft für weitere Abkömmlinge der ILOVEYOU-Sippe sorgen können.

Skandalös ist allerdings, dass sorglose Zeitgenossen es durch beispielloses laissez faire ermöglicht haben, dass nicht nur ihre eigenen PCs befallen wurden, sondern dass letztere nun frisch und frei ganz nach Belieben SMS-Nachrichten auf Handies schicken. Hierbei ist unerheblich, welche Handies es bereits erwischt hat, und welche nicht, denn das Adaptieren des Wurms an beliebige Mobilfunk-Netze ist selbst für eher schlichte Programmierer nur eine Frage von Minuten.

Zwar mag das Versenden von SMS-Nachrichten zunächst recht harmlos scheinen, doch für Katastrophen beliebiger Grössenordnung bleibt reichlich Raum, wenn jemand ein Alarmierungssystem betreibt, bei dem er auf den Empfang von SMS-Nachrichten angewiesen ist.

Das teuflische Detail steckt nämlich in den Chipkarten: Gängige Mobilfunk-Karten speichern zehn, maximal aber 14 SMS-Nachrichten, sodass deren Kapazität recht schnell erschöpft ist, wenn eingegangene Nachrichten nicht umgehend gelöscht werden. Zwar werden Nachrichten eine Zeit lang im Mobilfunknetz zwischengespeichert, falls die Chipkarte voll ist und Nachrichten nicht zugestellt werden können. Doch der Handy-Besitzer kommt schlichtweg nicht mehr mit dem Löschen nach, wenn fünfzig Junk-Messages im Netz warten, aber erst die einundfünfzigste die lebenswichtige Alarmierungsmeldung ist. Bei einem Temperatur-Alarm liegt der Serverraum dann längst in Schutt und Asche, falls nach Murphy alle anderen Alarmierungswege ebenfalls versagt haben.

Wer Alarmierungssysteme betreibt, tut dies schliesslich nicht aus Spass, und die Schadenhöhe kann, je nach Anwendungsfall, beliebige Summen erreichen, wenn SMS das letzte Mittel ist - und dieses ebenfalls versagt.

Sehr konkrete Erfahrungen mit dem Ausfall von Funk-Pagern, die Texte á la SMS übertragen, konnten Amerikaner im Mai 1998 sammeln. Bei einem Satelliten-Defekt fielen etwa 80 bis 90 Prozent der 45 Millionen Pager in den USA aus, was speziell im Gesundheitswesen, bei den Rettungsdiensten und Feuerwehren schwerwiegende Folgen hatte, und wobei es für einige Patienten sogar um Leben und Tod ging.

Vergleichbare Situationen blieben uns bislang erspart, doch es wird höchste Zeit, auch PC-Betreiber für grobfahrlässiges Verhalten zur Rechenschaft zu ziehen , wenn dadurch Dritte gefährdet oder geschädigt werden.


Eitel Dignatz ist Unternehmensberater und Inhaber des Münchner Unternehmens Dignatz Consulting.

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