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Trotz der Dispute zwischen OSF und Unix Inc. auf der Uniforum 1989:

Die Unix-Gemeinsamkeiten überwiegen

Computerwoche 24.03.1989


Theaterdonner gab es in Sachen Unix auch auf der diesjährigen Uniforum in San Francisco. Wer genauer hinsah, mußte aber bei den Produkten feststellen, daß die Gemeinsamkeiten von OSF und Unix International weit größer sind als die meist überzeichnet dargestellten Unterschiede. Auf der Messe, die in der Unix-Gemeinde als das Hauptereignis des Jahres gilt, hat sich Eitel Dignatz für die COMPUTERWOCHE umgesehen.

Das Geplänkel, das zwischen den beiden Unix-Fraktionen vor gut einem Jahr begann, setzte sich auch heuer auf der Uniforum fort. Sowohl die Open Systems Foundation (OSF) als auch die AT&T-Mitstreiter in der Unix International Gruppe (UI) gaben den Beitritt neuer Mitglieder bekannt. So ließ UI mitteilen, daß unter anderem Motorola, Locus, Stellar, Prisma, Dupont Fiber Division und Relational Technology dem Club beigetreten waren. Die OSF-Leute hingegen konnten neben einer Reihe von Universitäten die Unternehmen Boeing Computer Services, Quantum GmbH, Software AG und Sumitomo Electric Industries für sich gewinnen. Entscheidungsschwierigkeiten, so scheint es, müssen wohl Xerox und Sony gehabt haben, denn sie traten gleich beiden Interessengruppen bei.

Gegeneinander polemisiert wurde vor allem an exponierter Stelle: Terry Lautenbach, IBM-Oldtimer mit dreißig Dienstjahren und derzeit Senior Vice President und General Manager der IBM USA, nutzte seinen Plenumsvortrag weidlich dazu, sein Unternehmen als großen Unix-Freund zu porträtieren, und gleichzeitig AT&T für die Spaltung des Unix-Lagers verantwortlich zu machen. Was dann folgte, war im wesentlichen ein Lobgesang auf IBM-Produkte und OSF-Aktivitäten. Bob Kavner, seit April letzten Jahres President der AT&T Data Systems Group, nahm in seiner Rede am darauffolgenden Tag zwar Bezug auf Lautenbachs Vorwürfe, schlug dabei aber relativ sanfte Töne an. Weder Unix International noch die Open Software Foundation sollen versuchen, von sich aus Standards zu definieren, sondern, so Kavner, sich lieber darum kümmern, vorhandene Standards in Produkte umzusetzen. Darüber hinaus sei es für beide Parteien angebracht, "Frieden oder zumindest einen Waffenstillstand zu schließen" und endlich damit aufzuhören, Gegensätze um jeden Preis aufzubauen.

Die Gegensätze, die in der Tat von beiden Gruppen bei jeder nur denkbaren Gelegenheit beschworen wurden, entpuppten sich denn auch bei näherer Betrachtung der betreffenden Produkte oder Spezifikationen zumeist als harmlos und zeugten eher von Profilierungssucht um jeden Preis. Anders ausgedrückt: Betriebssystemportierungen von zwei OSF- oder zwei UI-Herstellern müssen einander nicht ähnlicher sein als ein OSF- und ein vergleichbares UI-Produkt. Keine der beiden Gruppen verbietet nämlich ihren Mitgliedern ihren Produkten einen "Added Value" zu geben und sich auf diese Weise vom Mitbewerb zu differenzieren. Sowohl das UI- als auch das OSF-Unix wird konform zum neuesten X/Open Portability Guide sein, und damit der X/Open-CAE-(Common Applications Environment)-Definition genügen.

Unix System V.4 ohne umwerfende Neuerungen

Während OSF/1, so der Name des OSF-Unix, wohl noch ein Weilchen auf sich warten lassen wird, gaben UI und AT&T Einzelheiten zum kurz bevorstehenden Release 5.4 (System V.4) bekannt. Diese Version werde selbstredend SVID-(System V Interface Definition)-konform sein, darüber hinaus die IEEE-P 1003.1-(Posix)-Norm erfüllen und der Definition des X-Open Portability Guide genügen. Ferner werde System V.4 die Sprache C gemäß ANSI-Norm (XJ11) beinhalten. Im neuen Release ist ferner das Application Binary Interface (ABI) für die gängigsten Prozessortypen realisiert. Auf diese Weise können Anwenderpakete, ähnlich wie in der MS-DOS-Welt, in ein- und derselben Binärversion auf den Rechnern unterschiedlichster Hersteller laufen - sofern diese System V.4 fahren und den gleichen Prozessor haben. Der Vorteil für die Hersteller von Anwendersoftware besteht darin, daß sich der Portierungsaufwand insgesamt stark vermindert, die Produkte schneller auf den Markt gelangen und sich obendrein höhere Verkaufszahlen infolge niedrigerer Preise erzielen lassen. - Darüber hinaus verfügt Release 5.4 über eine Reihe von Berkeley- und SunOS-Eigenschaften.

Bei näherem Hinsehen fällt auf, daß System V.4 zwar gegenüber seinem Vorläufer eine Reihe wesentlicher Verbesserungen aufweist; doch wer heute eine Sun mit der Betriebssystemversion 4.0.1 betreibt, wird das künftige AT&T-Produkt wohl nicht besonders aufregend finden. Die gegenwärtige SunOS-Version hat schon zum heutigen Zeitpunkt die meisten der wichtigsten Neuerungen von System V.4. Als Benutzerschnittstelle wird Open Look mit ausgeliefert. Einen späteren Wechsel oder eine Koexistenz mit einer anderen Benutzerschnittstelle schlossen UI-Vertreter aber keineswegs aus. Für Open Look habe man sich deshalb entschieden, weil es das einzige, derzeit wirklich verfügbare Produkt dieser Art mit einem hinreichenden Leistungsumfang sei. Auch die spätere Verwendung des Presentation Managers ist keineswegs ausgeschlossen. Release 5.4 unterstützt nämlich X-Windows (X 11 ), und genau darauf setzt PM/X auf ein Konglomerat aus X11 und dem OS/2 Presentation Manager.

OSF hingegen baut auf das kürzlich angekündigte Motif, von dem auf der Uniforum lediglich ein Prototyp zu sehen war. Obwohl als Produkt noch nicht existent, mangelt es nicht an Absichtserklärungen verschiedenster OSF-Mitglieder, diese Anwenderschnittstelle zu unterstützen. So plant auch Siemens laut OSF-Pressemeldung, Motif zu implementieren. Eberhard Reichert, Marketing-Direktor des Bereichs Datentechnik, zufolge solle Motif mit der gegenwärtigen Benutzerschnittstelle (Collage) koexistieren und so die Migration zu Unix-Standards unterstützen. - Was wohl, wenn man die Standardisierungsbestrebungen des Unternehmens berücksichtigt und Collage in nicht allzu ferner Zukunft zur Makulatur werden läßt. Ebenfalls unterstützen will Siemens die Open-Desktop-Initiative von Santa Cruz Operation (SCO), DEC, Locus, Relational Technology und Tandy. Open Desktop ist eine Art softwaremäßige Büroumgebung für 386-Rechner, die auf folgenden Produkten basiert: System V/386 Release 3.2, Motif, Xll, Ingres/386 TCP/IP, NFS und Locus' Merge 386.

Neues aus der Welt der RISC-Architektur

Sun stellte Anwendersoftware gleich im Dreierpack vor. SunWrite, SunPaint und SunDraw zielen auf den Markt, den Apples Macintosh abdeckte. Meint Suns Chief Executive Officer Scott McNealy: "Die Leute erwarten das einfach von uns. Außerdem hatten wir's leid, immer wieder mitanzusehen, daß neben einer Sun-Workstation ein Macintosh stand, um Büroaufgaben damit zu erledigen." - Womit dann genau das eintrat, was noch vor kurzem ein Spötter als "Sparcintosh" vorhergesehen hatte.

Wenig überraschend war die Bekanntgabe der Gründung von Sparc International (SI), einer Interessengruppe analog zu 88open (die Motorolas 8800-RISC-Prozessor unterstützt). Gründer dieser Vereinigung die aus dem Sparc Vendor Council hervorging, sind Bipolar Integrated Technology, Fujitsu Microelectronics, LSI Logic, Cypress Semiconductor und Texas Instruments. Gerüchten zufolge wird Cypress eine Gate-Array-CPU für diejenigen Sparc-Maschinen liefern, deren Ankündigung unmittelbar bevorsteht. Die Leistung dürfte sich mit rund 20 Mips gegenüber den jetzigen Sun4-Rechnern etwa verdoppeln. Das System soll etwa 30 000 Dollar kosten. - Gegenwärtig, so wird kolportiert, arbeite man bei Sun an einer 40- bis 50-MIPS-CPU.

Durch einen weiteren Schachzug wollen Sun und Sparc International das Sparc-Clone-Geschäft ankurbeln. Unternehmen, die ähnlich wie Solbourne Computer einen Sun-Clone auf Sparc-Basis anbieten wollen, können jetzt Softwarelizenzen für SunOS und die gesamte Sparc-Software-Entwicklungsumgebung bei Interactive Systems und Phoenix Technologies erwerben. Beide Unternehmen werden fortan per Distributionsvertrag die genannten Sun-Softwareprodukte lizenzieren. - Interactive hatte seinerzeit die AlX-Portierung für IBM vorgenommen. Intel kündigte den bisher unter dem Codenamen N 10 gehandelten 64-Bit-RISC-Prozessor nun offiziell als i860 an. Gleichzeitig gaben AT&T, Prime und Convergent ihre Absicht bekannt, eine spezielle System-V.4-Version für i860-Multiprozessorsysteme zu entwickeln.

Neue Hardware stellte Data General mit ihren AViiON-Rechnern vor, die auf Motorolas 8800-RISC-CPUs basieren, und auf denen DG/UX 4.1 läuft, ein System-V.3.1-Port. Einen echten Preisschlager stellt dabei die Workstation-Version dar, deren Leistung mit 17 MIPS angegeben wird, und die in der plattenlosen Ausführung mit 4 MByte Speicher für 7450 Dollar zu haben ist.

Mips Computer Systems, Hersteller der R2000- und R3000-RISC-Prozessoren, gab ein Second-Source-Abkommen mit NEC und Siemens bekannt. Beide Unternehmen wollen noch in diesem Jahr die Produktion der obigen Prozessoren aufnehmen. Sie wollen ferner Lizenzen für Compiler und Betriebssoftware von Mips erwerben und dann neben den eigentlichen Prozessoren auch Entwicklungssysteme vermarkten. Die Zukunft für diese Geschäftsbeziehungen sieht Robert C. Miller Chairman, President und CEO von Mips, durchaus rosig: "Unsere Kooperationspartner engagieren sich in 4- bis 16-Megabit-Chip-Projekten. Damit verfügen sie über die notwendige Prozeßtechnologie, um bei den Prozessoren die 100-MIPS-Schwelle zu überschreiten."

Sony gab bekannt, in Kürze die Mips-R3000-Familie in ihren NEWS Workstations einzusetzen. Die Produktion soll noch im Laufe dieses Jahres in Japan beginnen. Eine Produktion in den USA ist ab 1990 vorgesehen. Sony kündigte ferner die Verfügbarkeit des Produkts Sony Advanced File System (SAFS) an. SAFS bietet Disk Striping zur Performance-Steigerung, Concatenate Disk, um eine Datei auf mehrere Platten zu verteilen, und Mirrored Disk, um gespiegelte Platten zu betreiben.

Gute Nachricht aus der MS-DOS-Welt schließlich hatten Interactive Systems und Segue Software zu bieten: Beide Unternehmen kündigten gemeinsam an, die Norton Utilities auch auf Unix-Systemen zu vermarkten. - Dieser Schritt war wohl für den Autor dieser Programme, Peter Norton, nach vorangegangener Branchendiversifikation längst überfällig. Wer die San Francisco Bay auf der San Mateo Bridge in Richtung Westen überquert, begegnet nämlich Peter Norton in Überlebensgröße: als Reklamemännchen für Dewar's Whisky.


Eitel Dignatz ist Inhaber der Unternehmensberatung Dignatz Consulting, München. Das Unternehmen ist im Unix-Schulungs- und Projektgeschäft tätig.

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